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Rund um das TA Bildungszentrum

Karriere & Studium

11. Aug 2020
Karriere & Studium

„Menschen folgen Menschen, nicht Funktionen“ – Barbara Liebermeister an der TA

Barbara Liebermeister

Wie hat sich Unternehmenskultur in Deutschland verändert? Was sollte ich als Führungskraft beherzigen? Und warum sind Chef und Mitarbeiter manchmal wie Winnetou und Old Shatterhand? Unternehmensberaterin und Keynote-Speakerin Barbara Liebermeister hat sich jetzt das TA Bildungszentrum in Hameln angesehen und stand dabei Redaktionsleiter Markus Richter für ein Interview Rede und Antwort.

Frau Liebermeister, was macht heutzutage eine Führungspersönlichkeit aus?

Wir benötigen Führungspersönlichkeiten, die nicht mehr der Ansicht sind, mit dem Führungsstil ,Command and Control‘ etwas ausrichten zu können, so wie es in den vergangenen Jahrzehnten gehandhabt wurde. Das bedingt in vielen Bereichen ein Umdenken: Es geht in erster Linie um die Haltung der Führungskraft. Führung ist für mich vor allem, Menschen auf Augenhöhe weiterzuentwickeln. Ich sollte das Augenmerk darauf richten, dem Mitarbeiter den Sinn seiner Arbeit für das Unternehmen, die Abteilung zu vermitteln. Dann ist die Motivation gegeben, die wir heute alle benötigen, um den großen Herausforderungen des digitalen Wandels standzuhalten. Außerdem hat sich der Markt gedreht: Es sind eher die Bewerber, die den Ton angeben, weil gute Fachkräfte in der Minderheit vertreten sind. Das bedeutet im Umkehrschluss, als Unternehmen beziehungsweise als Führungskraft bewerben Sie sich bei den Mitarbeitern. Dadurch sind Sie angehalten, etwas zu bieten – was dennoch nicht bedeutet, dass Führung als Einbahnstraße gesehen werden sollte, bei dem nur ein Teil etwas bietet oder hineininvestiert.

Sie sagen, Empathie spielt dabei eine besondere Rolle…

…weil Führung mit Menschen zu tun hat. Je besser ich es schaffe, mich in meine Mitarbeiter hineinzuversetzen, zu erkennen, was ihn oder sie bewegt und sie dabei unterstützen kann, umso eher werde ich auch als Chef respektiert. Respekt für beide Seiten ist erforderlich.  Nehmen wir folgendes Beispiel: Sie haben einen Best-Performer im Team, dessen Mutter plötzlich pflegebedürftig wird. Wenn ich ein vertrauensvolles Verhältnis zu meinem Mitarbeiter habe, dann weiß ich um die Situation und die Bedürfnisse. Wenn ich es dann schaffe, ihn oder sie in dieser schwierigen Zeit alle Unterstützung zu bieten, lässt das den Menschen erkennen, dass er von einem Menschen geführt wird. Menschen folgen Menschen – nicht Funktionen.

Was sollte ich dabei beachten?

Wie gesagt, die Arbeitswelt hat sich verändert. Dennoch ist ein Gleichgewicht für beide Seiten erforderlich. Sie haben einen Vertrag zusammen. Als Chef sind Sie kein Bittsteller, Sie können auch etwas erwarten. Ich empfehle manchmal, zusätzlich ein handschriftliches Agreement über den Arbeitsvertrag hinaus zu erstellen. Was willst du dieses Jahr erreichen? Wobei kann ich dich unterstützen? Ich wünsche mir im Umkehrschluss dieses und jenes. Das unterschreiben wir beide. Also praktisch eine motivierende Zielvereinbarung auf sehr persönlicher Ebene – ähnlich einer Blutsbrüderschaft. Das schafft psychologisch ein anderes Commitment für beide Seiten, wird häufig von Toptrainern im Spitzensport angewendet. Letztendlich zählt jedoch, wie der Chef als auch der Mitarbeiter im täglichen Miteinander ihre Versprechen leben.

Am TA Bildungszentrum werden junge Führungskräfte für Wirtschaft und Industrie ausgebildet. Was würden Sie jemandem mit auf den Weg geben, der in eine neue Position startet?

Dass im digitalen Zeitalter interessanterweise nichts mehr zählt, als die menschliche Beziehung. Die größte Herausforderung für Führungskräfte durch digitale Medien und digitale Kommunikation ist, noch genügend persönliche Berührungspunkte einzubauen. Ganz einfach, weil wir Menschen nicht digital sind. Wir ermessen nach ganz anderen Gesichtspunkten, wem wir folgen. Da sind wir alle noch prähistorische Säugetiere. Digitale Medien schneiden viele Informationen und Signale ab. Darin lauern Gefahren: Vieles, was gesagt wird, missdeuten oder missinterpretieren wir. Wir benötigen alle Signale in der Kommunikation des Gegenübers, sonst wirkt sich dies negativ auf die Beziehung aus. Und Führung ist Beziehung. Oft merke ich es an Kleinigkeiten: Dann warte ich länger auf eine Mail oder der Verteiler ist größer oder der Ton in der Mail ist noch sachlicher als sonst. Nicht falsch verstehen: Die digitalen Medien sind toll – mich finden Sie auf jeder Plattform, aber wir sollten wissen, wie wir „Säugetiere“ funktionieren und immer, wenn es geht persönliche Berührungspunkte einbauen. Manchmal hilft da schon außerhalb der üblichen Zeit ein ganz persönliches Telefonat.

Was kann ich denn als Mitarbeiter tun, um gemeinsam mit meinem Vorgesetzten ein besseres Arbeitsklima zu erreichen?

Dafür muss die entsprechende Unternehmenskultur vorherrschen. Mein Chef ist auch ein Mensch, das sollte man sich regelmäßig vor Augen führen. Es braucht in Summe eine offene und kommunikative Kultur, damit der Mitarbeiter auch weiß, dass er Dinge äußern kann und dass er gehört wird. Alle Menschen, die miteinander kommunizieren, sollten sich einfach viel häufiger in das Gegenüber hineinversetzen und überlegen, wie das Gesagte ankommt. Dadurch trainieren wir auch unsere emotionale Intelligenz.

„Der Mensch steht auch im digitalen Zeitalter im Mittelpunkt“ lautet das Credo von Barbara Liebermeister. Die renommierte Rednerin, Managementberaterin und Autorin („Digital ist egal, Mensch bleibt Mensch – Führung entscheidet“ und „Die Führungskraft als Influencer“, Gabal-Verlag) unterstützt führende Konzerne und aufstrebende Mittelstandsunternehmen. Sie ist Gründerin und Leiterin am Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ) in Frankfurt. Mehr Infos auf ihrer Website https://barbara-liebermeister.com und https://ifidz.de.